Zum Inhalt springen

18. Februar 2026, 22.30 Uhr,
SBB-Interventionszentrum in Biasca

Enzo Rezzonico (alle Namen frei erfunden), Sicherheitschef eines Unterhaltsteams im Gotthard-Basistunnel, bereitet sich auf die Nachtschicht im Tunnel vor. Kurz nachdem der letzte Güterzug das Südportal des längsten Tunnels der Welt verlassen hat, wird er sein heutiges Team von über 20 Spezialistinnen und Spezialisten im Spezial­zug zur fünfstündigen Nachtschicht führen. Unter den Spezialistinnen und Spezialisten erkennt er einige bekannte SBB-Kolleginnen und -Kollegen, aber hauptsächlich Mitarbeitende von externen Unternehmen, die sich um den Service und Unterhalt der unterschiedlichsten Betriebs- und Sicherheitssysteme im Tunnel kümmern. Drei sind zum ersten Mal mit dabei. Einer hatte kurzfristig für eine erkrankte Kollegin einspringen müssen.
Er schreitet die Runde seiner Kolleginnen und Kollegen mit seinem Tablet ab. Darauf hat er eine Liste mit all den erforderlichen Qualifikationen für die verschiedenen Aufgaben, die heute im vorgesehenen Serviceabschnitt notwendig sind.

Elektronisches Zutrittssystem: Digitale Nachweise per QR Code

Per Smartphone scannt jeder Mitarbeitende einen QR-Code und übermittelt dann die angeforderten digitalen Nachweise. Enzo erinnert sich kurz daran, wie mühsam dieses Prozedere noch vor nicht einmal fünf Jahren war. Jeder kramte in seinen Jacken- und Hosentaschen nach den diversen Plastikkärtchen oder Papierausweisen. Die meisten kannte er ja. Aber gerade bei neuen Mitarbeitenden gab es immer wieder Fälle, bei denen die notwenigen Unterlagen noch nicht durch die HR-Prozesse durch waren. Und das Theater erst, wenn mal ein Ersatz aufgeboten werden musste!
Enzo ruft zum Aufbruch und Guido Minoti steigt in den Führerstand. Auf dem Haupttableau leuchtet zunächst nur ein QR-Code, den er wiederum mit seinem Handy scannt. Der Zug prüft damit nämlich vor jeder In­betriebnahme, dass der Maschinenführer die notwendigen Fahrausweise für dieses mehrere 100 Tonnen schwere Spezialfahrzeug gültig vorweisen kann.

Eine produktive Lösung für qualifikationsbasierte Zutrittssysteme

Was 2019 im Rahmen von Innovationsideen um Anwendungen von Blockchaintechnologien mit einem Proof of Concept im Gotthard-Basistunnel begann, entwickelte ein SBB-Innovationsteam zusammen mit den Verantwortlichen im Bereich Infrastruktur und den zukünftigen Anwenderinnen und Anwendern in der Zwischenzeit zu einer produktiven Lösung für qualifikationsbasierte Zutrittssysteme auf Baustellen und in Sicherheitsräumen.
Im Bahnhof Solothurn gehen seit Sommer 2021 rund 60 Mitarbeitende der SBB und von Partnerfirmen durch die fünf Türen des Bahntechnikgebäudes. Sie brauchen zuvor nicht mehr in der Betriebszentrale die erforderlichen Dokumente einzureichen und die Sicherheitsschlüssel abzuholen und im Anschluss wieder zurückzubringen. Die Türen, versehen mit elektronischen Schlössern und verbunden mit einer Prüf-Applikation, kontrollieren, ob die eintretungswillige Person die für den entsprechenden Raum und Auftrag notwendigen digitalen Nachweise vorweisen kann.

Digitalisierung im Zutrittsmanagement

Durch den Wegfall von Medienbrüchen wie der Kontrolle von physischen Ausweisen oder der Verwaltung von Schlüsseln und Badges lassen sich Prozesse durchgängig digitalisieren und somit effizienter und und flexibler gestalten. Zudem erhöht die lückenlose Kontrolle die Sicherheit ohne die Effizienz zu beinträchtigen. 

Zutrittskontrolle für mehr Sicherheit

Im Berechtigungsmanagement legen die Besitzer einer Ressource (Gebäude, Programme, Services) die Bedingungen fest, welche für den Zugang zu oder die Nutzung der Ressource erforderlich sind. Ein (meist zentrales) Zutrittsmanagement prüft dann, ob diese Bedingungen erfüllt sind und übergibt Schlüssel oder schaltet Badges frei. Schlüssel müssen dann wieder ein- und Berechtigungen entzogen werden, wenn sich die Anforderungen ändern oder die Quali­fikationen der Berechtigten ablaufen. Ein Prozess, der, wenn lückenhaft ausgeführt, hohe Sicherheitsrisiken birgt.
Im Anforderungsmanagement hinterlegen die Ressourcenverantwortlichen die Anforderungen in der Prüf-Applikation. Die Nutzerinnen und Nutzer ihrerseits bringen ihre aktuellen digitalen Nachweise selber in ihren digitalen Wallets mit.
So prüft schlussendlich «die Tür», ob die Bedingungen für einen Einlass erfüllt sind, «die Maschine», ob die Maschinenführerin die für die Bedienung notwendigen Qualifikationen aufweist, oder Enzo als Sicherheitschef mit seinem mobilen Gerät schnell und sicher alle erforderlichen Nachweise seines Teams.

Nachgefragt – Interview mit Andreas Fuhrer, SBB

«Wir begrüssen eine Infrastruktur, auf der verschiedene Ökosysteme ihre Identitätsnachweise digital herausgeben»
In der Diskussion über die staatliche E-ID stehen verschiedene Ambitions-Niveaus zur Debatte. Für die SBB bietet das Ambitions-Niveau 3, bei dem staatliche und private Stellen digitale Nachweise ausstellen können, das grösste Potenzial. Wir wollten von Andreas Fuhrer, Leiter Digitalisierung bei der SBB, wissen, warum.

Die SBB unterstützte in ihrer Stellungnahme zum Zielbild einer Schweizer E-ID das Ambitionslevel 3 für eine Infrastruktur für digitale Nachweise. Was bringt euch das?
In unseren Pilotprojekten mit der Digitalisierung von Nachweisen stossen wir sehr schnell an Grenzen, sobald der Scope der Anwendungen oder der Nutzenden über die SBB hinaus geht. Dabei kommen aber gerade auf unseren Baustellen und in den Bahntechnikgebäuden mehr als die Hälfte der Mitarbeitenden von externen Unternehmen. Deshalb begrüssen wir die Idee einer Infrastruktur, auf der die verschiedenen Ökosysteme wie Ausbildung, Gesundheit, E-Government oder Mobilität all ihre
heute meist noch physischen Nachweise digital herausgeben. Damit werden wir unsere Prozesse viel schneller und durchgängiger digitalisieren können, als wenn wir es nur allein versuchen.

Die E-ID soll aber frühestens 2025 kommen. Müsst ihr also bis dann mit der Digitalisierung eurer Nachweisprozesse warten?
Nein, denn entscheidend für den Erfolg dieser Infrastruktur werden eine perfekte User Experience und entsprechend angepasste Businessprozesse sein. Wir wollen die kommenden Jahre nutzen, uns selbst und mit unseren Partnern in den verschiedenen Ökosystemen darauf vorzubereiten. Das werden wir anhand von Proof of Concepts, beispielsweise für die digitale Wohnsitzbestätigung für Partner- und Familien-GA, und Pilotprojekten machen. Das überragende Ziel all dieser Projekte ist es, unseren Kunden möglichst einfache Prozesse und eine sichere und zuverlässige Bahn zu bieten.

 

ti&m special E-Government
Wie steht es um die digitale Transformation des Service public? In unserem Magazin ti&m special haben wir bei weiteren Digitalisierungsexpertinnen und -experten aus Politik und Verwaltung nachgefragt. Zum Download