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Herr Fischer, aus einer Studie des IFZ, die im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) 2021 erstellt wurde, geht hervor, dass rund zehn Prozent der befragten KMU zu den «entmutigten KMU» zählen. Was sind entmutigte KMU?

Entmutigte KMU sind Firmen, die zwar einen Finanzierungsbedarf haben, die aber aus verschiedenen Gründen keinen Kreditantrag stellen. Auf Basis der genannten Studie sind dies ca. 16’000 KMU in der Schweiz, die für Banken ein noch nicht ausgeschöpftes Potenzial darstellen. Die Gründe für eine Entmutigung der KMU sind vielfältig. Es handelt sich um Befürchtungen wie «die Kosten sind zu hoch», «der Prozess ist zu mühsam», «es werden zu viele Unterlagen benötigt», «der Prozess dauert zu lange» oder «der Antrag wird ohnehin abgelehnt».

In der neuen IFZ-Studie «KMU-Banking» haben Sie die Kreditvergabe an KMU untersucht: Was sagen die Banken zu den Befürchtungen der KMU?

Spannend ist hier generell die unterschiedliche Sicht und Wahrnehmung von Banken und KMU. Schaut man sich beispielsweise die Prozessdauer an, so beginnt der Prozess bei der Bank erst mit Eingang des Kreditantrags. Für Unternehmer beginnt der Prozess aber viel früher, nämlich mit der Entscheidung, bei der Bank nach einem Kredit zu fragen. Bis dann tatsächlich der Kundenberater angesprochen wird, vergeht meist etwas Zeit. Dann wird die Anfrage besprochen, initial geprüft und Unterlagen ein- oder nachgefordert, bis es dann zum Kreditantrag kommt. Man sieht an diesem Beispiel, dass die gefühlte Prozessdauer für ein KMU schon allein deshalb deutlich länger ist als für eine Bank. Ähnlich verhält es sich auch mit den anderen Befürchtungen.

Welches sind aus Sicht der Banken die häufigsten Gründe für die Ablehnung eines KMU-Kreditantrags?

Die meisten Kredite werden in einer frühen Phase des Antragsprozesses abgelehnt. Zu den drei von Banken am häufigsten genannten Gründen zählen: Erstens: Das KMU fragt eine Finanzierung an, die die Bank so nicht anbietet. Hier sind vor allem Start-up-Finanzierungen in der Gründungsphase zu nennen, also KMU, die im Grunde Eigenkapital suchen. Ausserdem zählen hierzu Auflagen der Bank, beispielsweise dass eine kleinere Kantonalbank das Auslandsgeschäft eines nicht im Kanton ansässigen KMU grundsätzlich nicht finanziert. Zweitens: unrealistische Erwartungen, zum Beispiel betreffend der möglichen Kredithöhe in der gegebenen Unternehmenssituation. Drittens: Die erforderlichen Unterlagen sind nicht vorhanden oder das KMU will diese nicht einreichen, da es sich nur um eine Anfrage, ohne feste Absicht, einen Kredit wirklich zu beziehen, handelt.

Wie läuft ein Kreditprozess bei der Bank ab und wie lange dauert er?

Der typische Kreditprozess aus Sicht der Bank beginnt entweder mit dem Eingang einer Anfrage durch ein Online-Formular oder im persönlichen Gespräch mit dem Kunden. Sind die notwendigen Unterlagen vollständig und die Anfrage ausreichend klar, kann der Kreditantrag geprüft werden. In einigen Banken erfolgen die Prüfung und der Entscheid sehr dezentral in den Filialen. Die konkrete Prozessdauer wird von vielen Banken nicht erhoben. Wenn überhaupt, dann liegen nur Zeitangaben zur Beurteilung des tatsächlich eingereichten Kreditantrags vor. Die Zeit davor, die seit dem ersten Beratungsgespräch vergangen ist, ist aufgrund des dezentralen Ansatzes meist nicht bekannt. Ab dem Eingang eines vollständigen Kreditantrags kann ein Entscheid meist innerhalb weniger Tage erfolgen. Die Zeit verlängert sich aber beliebig, wenn es aufgrund fehlender oder fehlerhafter Unterlagen zu einem «Ping-Pong» zwischen Bank und KMU kommt und womöglich noch ein Treuhänder zur Erstellung von Unterlagen vom KMU beauftragt werden muss. Ein alternativer, nur bei wenigen Banken implementierter und deutlich schnellerer Prozess ist der Instant-Credit-Prozess für bestehende Kunden. Hier analysiert die Bank laufend das Zahlungsverhalten des KMU und kann damit jederzeit einen Kredit im Sinne eines Kreditlimits anbieten, ohne dass es im Idealfall weiterer Unterlagen oder Prüfungen bedarf.

Wie wichtig ist das KMU-Kreditgeschäft für Banken?

Das KMU-Kreditgeschäft ist den Banken auskunftsgemäss sehr wichtig. Dabei geht es in erster Linie oft nicht um die Profitabilität des einzelnen Kreditgeschäfts, sondern darum, Kunden umfassend bedienen zu können. Dies gerade vor dem Hintergrund, dass Unternehmer häufig als Privat- und als Firmenkunde bei der gleichen Bank sind. Es ist jedoch auch zu erwähnen, dass Banken insbesondere aus Risikoüberlegungen bei Kreditvergaben an einige Branchen und Unternehmen kaum interessiert sind.

Welche Alternativen haben KMU, wenn sie nicht zur Bank gehen, bzw. wie decken sie ihren Kreditbedarf?

Oft wenden sich KMU an ihr privates Umfeld, also den Bekannten- und Freundeskreis. Gemäss der eingangs genannten Studie aus dem Jahr 2021 nutzen 23 Prozent der KMU solche Privatkredite. Im Rahmen der aktuellen Studie haben wir uns alternative Anbieter angeschaut. Solche Anbieter bringen KMU mit Kreditbedarf und private oder institutionelle Investoren zusammen. Hier gibt es einerseits Marktplatzbzw. Plattformanbieter für Crowdlending wie swisspeers und andererseits Anbieter, die keine Banklizenz haben, aber die Kredite in den eigenen Büchern führen, wie Kamuno.

Was war für Sie die überraschendste Erkenntnis aus der neuen IFZ-Studie?

Zwei Erkenntnisse fand ich besonders spannend. Erstens, dass man die Befürchtungen der KMU wie «die Ablehnungsquote für einen KMU-Kredit ist sehr hoch» differenziert betrachten muss. In einer frühen Phase, bei der ersten Anfrage, ist die Ablehnungsquote tatsächlich recht hoch. Geht es aber um den eigentlichen, vorbereiteten Kreditantrag mit realistischer Einschätzung über Kredithöhe usw., so ist die Ablehnungsquote eher tief. Dies bringt mich zu einer zweiten Erkenntnis aus der Studie: «Wo ein Wille, da ein Weg». Wenn eine Bank einen Kredit geben möchte, findet sich nach Aussage mehrerer Banken eigentlich immer eine Lösung. Ich denke, das gibt auch einigen entmutigten KMU neue Hoffnung.

IFZ-Studie

«KMU-Banking»

KMU-Kredite: Wie Banken auf die Befürchtungen von KMU blicken und welches Potenzial Banken in der Digitalisierung und Optimierung ihrer Kreditprozesse haben.

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