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Innovation ist deine Leidenschaft. Woher kommt diese Freude an Neuem und an Veränderungen?

Wenn ich das wüsste. Schon als Kind wollte ich immer neue Dinge ausprobieren. Heute ist es allerdings nicht mehr nur das Ausprobieren, das mich interessiert. Mich interessiert, wie Werte auf neue Art und Weise erschaffen werden können.

Du bist sozusagen auf der Metaebene aktiv, indem du Firmen dabei hilfst, innovativer zu werden. In welchen Fällen suchen Firmen deine Hilfe? Wo und warum sind sie blockiert?

Das Problem ist: Hast du ein etabliertes Unternehmen, willst du das bestehende Geschäftsmodell und die bestehenden Produkte managen und allenfalls Prozesse optimieren. Mit zunehmendem globalem Wettbewerb, neuen Technologien und Kundenbedürfnissen und Geschäftsmodellen, die nicht mehr relevant sind, wird der Druck, innovativ zu sein, immer grösser. Beispielsweise sind vier von zehn CEOs der Meinung, dass ihr Geschäfts­modell in zehn Jahren nicht mehr gefragt sein wird. Mit Strategyzer helfen wir Organisationen, eine Innovationskultur zu kreieren.

Wie macht ihr das?

Zuerst einmal möchte ich mit ein paar Mythen aufräumen. Innovation ist nicht gleich Forschung und Entwicklung, denn innovativ sein heisst nicht, nur neue Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln. Innovation bedeutet, bei allen Aktivitäten und Überlegungen neue Value Propositions ins Zentrum zu stellen. Es geht darum, eine innovative Kultur zu schaffen. Technologie kann, muss aber nicht der Treiber von Innovationen sein. Und da Innovation nicht gleichbedeutend mit der Entwicklung neuer Produkte ist, muss sie auch nicht zwingend teuer sein. Neue Geschäftsmodelle und Value Propositions müssen laufend getestet werden. Skaliert wird erst dann, wenn bewiesen ist, dass die Idee auch markt­fähig ist. Was ich auch nicht genügend wiederholen kann: Es reicht nicht, einfach nur eine gute Idee zu haben und diese dann umzusetzen. Ideen sind einfach. Schwierig ist es, Ideen anzupassen, bis ich ein Werteversprechen habe, das funktioniert und ein Geschäftsmodell, das skalieren kann.

Ideen sind überbewertet?

Ideen an sich sind wertlos. Firmen müssen begreifen, dass Ideen und Kreativität noch nichts mit Innovation zu tun haben. Die Vorstellung, eine gute Idee zu finden und dann viel Geld in sie zu investieren, ist falsch. Denn Ideen sind am Anfang meist falsch. Ideen müssen erkundet, getestet und angepasst werden, bis sie funktionieren. Welche Idee sich schlussendlich durchsetzen wird, kann man natürlich nicht sagen. Denn am Anfang sehen alle Ideen gut aus. Wichtiger als Ideen ist, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich die besten Ideen entwickeln können.

«Firmen müssen begreifen, dass Ideen und Kreativität noch nichts mit Innovation zu tun haben. Die Vorstellung, eine gute Idee zu finden und dann viel Geld in sie zu investieren, ist falsch.»

– Dr. Alexander Osterwalder

Gibt es einen Blueprint für eine erfolgreiche Innovationskultur?

Es gibt Grundregeln, die immer gleich sind. Erstens: Nicht die besten Ideen oder Teams auswählen, sondern Bedingungen schaffen, dass Teams neue Ideen generieren und diese testen können. Zweitens: Nicht in Ideen investieren, die man interessant findet, sondern in solche, für die man Beweise gesammelt hat, dass sie funktionieren. Drittens: Gemäss dem Metered-Funding-Ansatz gleichzeitig in mehrere Ideen investieren, von denen sich am Ende nur eine durchsetzt. Aber: Der Weg hin zu einer erfolgreichen Innovationskultur ist für jede Organisation ein anderer.

Wie organisiert man Innovation institutionell?

Es gibt drei wichtige Punkte. Erstens: Das Thema muss beim CEO grosse Relevanz haben. Sie oder er muss viel Zeit mit Innovation verbringen. Es geht darum, dem Thema in einer Organisation Prestige und Macht zu verleihen. Ein gutes Beispiel ist Logitech, wo sich CEO Bracken P. Darrell etwa die Hälfte seiner Arbeitszeit mit Innovation beschäftigt. Zweitens: In jeder Firma sollten sich ein bis fünf Prozent der Mitarbeitenden vollberuflich mit Innovation beschäftigen. Leider ist Innovation in den wenigsten Firmen fest im Organigramm verankert. Das muss sich ändern. Dass sich im Minimum ein Prozent aller Mitarbeitenden mit der Zukunft beschäftigen, ist meiner Meinung nach nicht zu viel verlangt. Drittens: Viele Projekte werden nicht erfolgreich sein. Man muss bereit sein, neun von zehn Projekten aufzugeben.

Was ist das Paradebeispiel einer neuen Value Proposition?

Nestlé hat mit dem patentierten Kapselsystem ein neues Geschäftsmodell entwickelt. Denn zum ersten Mal hat Nestlé direkt an den Endkunden geliefert, der sich mit der Kapselmaschine in einem Lock-in befand und nur die Kapseln von Nestlé kaufen konnte. Nestlé hatte nicht von Anfang an die Idee, ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln, das geschah zufällig und ungeplant. Im alten Geschäftsmodel kauften Detailhändler einmalig Kaffee von Nestlé, um diesen weiterzuverkaufen. Mit dem neuen Modell kreierte Nestlé wiederkehrende Transaktionen, weil der Endkunde, zumindest bevor das Patent ablief, nur Kapseln von Nespresso für seine Maschine kaufen konnte. Das war das geniale dabei: Nestlé hat nicht einfach bei der technischen Erfindung, dem Kapselsystem, aufgehört, sondern ein neues Geschäftsmodell entwickelt. Geschäftsmodelle erfindest du nicht, die findest du.

«In jeder Firma sollten sich ein bis fünf Prozent der Mitarbeitenden vollberuflich mit Innovation beschäftigen. Dass sich im Minimum jeder 100. Mitar­beitende mit der Zukunft beschäftigt, ist meiner Meinung nach nicht zu viel verlangt.»

– Dr. Alexander Osterwalder

Du hast vorhin erwähnt, dass Innovation nicht gleichbedeutend mit Forschung und Entwicklung ist. In der Schweiz ist Forschung und Entwicklung in gewissen Branchen, z.  B. in der Industrie, rückläufig. Wie schätzt du die Lage ein?

Hier muss ich wieder mit einem Mythos aufräumen: Es gibt keinen wissenschaftlich belegten Zusammenhang zwischen Innovation, Forschung & Entwicklung und Wachstum. Zwar belegt die Schweiz in vielen Innovationsrankings den ersten Platz. Aber die Methodik der Auswertung dieser Rankings stammt noch aus dem letzten Jahrhundert. Gemessen werden vor allem die Anzahl Patente und der Anteil, den Firmen in die Forschung und Entwicklung stecken. Für mich verlieren diese Rankings zunehmend an Relevanz, weil sie von einer einseitigen Definition von Innovation ausgehen.

Innovation ohne neue Technologie?

Nintendo Wii ist ein schönes Beispiel, dass Innovation nicht zwingend mit einer teuren technischen Innovation einhergehen muss. Der Gaming-Markt war und ist hart umkämpft. Gamerinnen und Gamer wollen Leistung und Geschwindigkeit, sprich schnellere Prozessoren und bessere Grafikkarten. Nintendo konnte zu diesem Zeitpunkt kein Geld in neue Entwicklungen stecken. Also haben sie eine Konsole entwickelt, die sich nicht an verbissene Gamerinnen und Gamer, sondern eher an Familien und Personen richtet, die hin und wieder gamen. Nintendo Wii hat eine geringere technologische Leistung als andere Konsolen, und die verwendeten Technologien wie Motion Control gab es alle schon. Allein mit der neuen Value Proposition hat Nintendo auf einen Schlag die Kunden­basis vervielfacht – ganz ohne technische Innovation.

Das war ein Beitrag aus dem ti&m special «Innovation»

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