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Sygnum ist als erste Schweizer Bank ins Metaverse eingestiegen. Wie schätzen Sie das Interesse im Schweizer Banking am Metaverse ein?

Es gibt eine gewisse Neugierde gegenüber dem Thema. Insgesamt hat es bei den Banken derzeit aber keine strategische Priorität.

Wir erleben gerade die zweite Metaverse-Welle. Während die erste fast ausschliesslich ein Second Life für Gamerinnen und Gamer war, scheint nun auch die Wirtschaft ein wachsendes Interesse zu haben. Wird das Metaverse diesmal Mainstreamwerden? Und welche Branchen werden am meisten betroffen sein, im Positiven wie im Negativen?

Derzeit ist noch einiges unklar und die Technologie steckt noch in den Kinderschuhen. Die grossen Technologie-Konzerne investieren zwar viel Geld in die Entwicklung von eigenen Metaversen, und einige Künstlerinnen und Künstler haben schon bewiesen, dass das Thema grosses – auch kommerzielles – Potenzial hat. Zum heutigen Zeitpunkt sind wir aber wirklich erstin einer ersten Experimentierphase mit teilweise  ernüchternden Ergebnissen.

Es sind in erster Linie südkoreanische oder Banken aus dem angelsächsischen Raum, die erste Versuche mit dem Metaverse wagen. Verhält sich der Schweizer Finanzplatz eher abwartend und schaut auf die Erfahrungen anderer?

Ja, die Situation präsentiert sich derzeit so. Auch in Korea und im angelsächsischen Raum beschäftigen sich derzeit aber nur sehr wenige Banken aktiv mit dem Thema.

«Weder Banken noch der überwiegende Teil der Kundinnen und Kunden beschäftigen sich heute mit dem Metaverse. Das Web 3.0 ist noch weit weg»

– Prof. Dr. Andreas Dietrich

Virtuelle Filialen verbindet man eher mit Neobanken und sehr digitalaffinen Kundinnen und Kunden. Für wie sinnvoll erachten Sie überhaupt den Einstieg ins Metaverse für traditionelle Banken? Sind es die Banken, die nicht bereit sind, oder sind es die Kundinnen und Kunden?

Traditionelle Banken sind im Moment noch immer mit derTransition von «Web 1.0»-Angeboten wie Webseiten und E-Banking-Lösungen auf das Web 2.0 mit modernen, Smart- phone-kompatiblen Kommunikationsmöglichkeitenwie Chatbots beschäftigt. Das heute noch wenig spürbare Web 3.0 ist daher für die meisten Institute noch weitweg. Derzeit beschäftigen sich weder Banken nochder überwiegende Teil der Kundinnen und Kunden mit dem Thema. Insofern ist diese «Mixed  Reality» heute noch nicht in unserem Alltag angekommen. 

Welche konkreten Chancen bietet das Metaverse für Banken?

Langfristig sehe ich verschiedene Möglichkeiten. Beim Kauf und Verkauf von realen Immobilien könnte das Metaverse helfen: Ergänzt um Virtual- und Augmented- Reality-Elemente könnte die Hausbegehung einer Interessentin oder eines Interessenten hybrid und in Echtzeit erfolgen – also eine virtuelle Tour mit einer Immobilienmaklerin oder einem Immobilienmakler. Allenfalls könnte auch das Kreditgeschäft über das Metaverse an Bedeutung gewinnen. Zum anderen ergeben sich neue  Berührungspunkte für Banken mit Kundinnen und Kunden: Treffen in virtuellen Bankfilialen können den Banken eine interessante Möglichkeit bieten, persönlichere und gefühlt «physischere » Treffen – anstelle von Telefonaten oder Videoberatungen – abzuhalten und die Beziehungen zu vertiefen. Und: Digital- und NFT-affine Kundengruppen werden je länger, je mehr im Metaverse zu finden sein. Für solche Kundinnen und Kunden können Kontaktmöglichkeiten in den neuen virtuellen Welten durchaus relevant werden. Banken können die Rolle übernehmen, eine möglichst nahtlose Verbindung zwischen der physischen und der virtuellen Welt herzustellen und beispielsweise Anbieter von Spieleplattformen mit Banking-Produkten zu bedienen. Der Unterhaltungsfaktor ist auch nicht zu unterschätzen: Ähnlich wie Partys oder Konzerte von Snoop Dogg können auch Bank-Veranstaltungen im Metaverse stattfinden.

Und was sind die Risiken?

Entscheidend ist schlussendlich, wann die Technologie ausgereift ist, zu welchem Zeitpunkt die Kundinnen und Kunden auch in der Breite solche Möglichkeiten nutzen werden und wie Banken sich nicht nur in der regulierten realen Welt, sondern auch im Metaverse bewegen (können). Hier gibt es auch Compliance-Risiken. Allgemein stellt sich natürlich die Frage, ob Kundinnen und Kunden, die im Metaverse «Geschäfte machen», dies über traditionelle Banken machen – oder ob es dann nicht neue Anbieter gibt im Metaverse, welche diese Art von Bankdienstleistungen besser anbieten können. Es gibt zudem auch eine gewisse «Gefahr», dass Banking im Metaverse nur «embedded» sein könnte.

«Digital- und NFT-affine Kundengruppen werden je länger, je mehr im Metaverse zu finden sein. Für solche Kundinnen und Kunden können neue Kontaktmöglichkeiten in den neuen virtuellen Welten durchaus relevant werden»

– Prof. Dr. Andreas Dietrich

Reden wir über das digitale Kundenerlebnis: Mit digitalem Onboarding, Online-Beratung oder Co-Browsing bieten vielen Banken doch schon ein solides digitales Angebot an. Was für einen Kundenmehrwert kann eine Metaverse-Filiale denn noch bieten?

Gute Frage. Derzeit ist der künftige Übergang von der mobilen Banking-App zu einer virtuellen Filiale noch unklar. Für welche Anwendungsfälle bleibt die Kundin oder der Kunde künftig in der zweidimensionalen Welt der Banking-App? Wann möchte man die Kundenberaterinnen und -berater physisch treffen? Und wann und warum geht man, falls überhaupt, ins Metaverse? Das Metaverse – in einer ausgereifteren Form als heute – verspricht ein besseres Erlebnis als ein zweidimensionaler Video-Call. Ob sich das aber nicht nur für Partys und Konzerte, sondernauch für Finanzberatungsgespräche anbietet, ist im Moment noch schwierig zu sagen. 

Dieser Artikel erschien im
ti&m special «Digital Banking»

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