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Die Gewährleistung der Stabilität und der Glaubwürdigkeit des Finanzmarktes Liechtenstein, der Schutz der Kundinnen und Kunden, die Vermeidung und Bekämpfung von Missbräuchen und die Umsetzung und Einhaltung internationaler Standards: Die Aufgaben der etwas über 100 Mitarbeitenden der unabhängigen Finanzmarktaufsichtsbehörde Liechtenstein sind vielfältig – und daten- und ressourcenintensiv.

KI-unterstützte Personenüberprüfung: Unbefangene und schnellere Resultate

Eine dieser daten- und ressourcenintensiven Aufgaben ist die .berprüfung und Genehmigung bei der Besetzung von Schlüsselpositionen wie Mitglieder der Geschäftsleitung, des Verwaltungsrates oder Compliance-Verantwortliche. Grundsätzlich ist die Zuverlässigkeit, insbesondere die (verwaltungs)strafrechtliche Unbescholtenheit und die finanzielle Solidität, von der jeweiligen Person mitentsprechenden Dokumenten wie Straf- und Betreibungsregisterauszügen nachzuweisen. Zusätzlich führt die FMA Personenchecks in  Datenbanken mit professionell gepflegten Informationen durch. Um ein Gesamtbild zu erhalten und nicht etwa offensichtliche Zuverlässigkeitshemmnisse zu übersehen, ergänzt die FMA den Bewilligungsprozess mit einer Websuche. In diesem «Fit & Proper»-Check wird mithilfe von öffentlichen Suchmaschinen festgestellt, ob die betreffenden Personen als politisch exponiert einzustufen sind. Als politisch exponiert gilt eine Person dann, wenn sie einflussreiche öffentliche Ämter im In- und Ausland ausübt bzw. früher ausgeübt hat. Solche Personen können besonders rasch in Interessenskonflikte geraten, weshalb deren Einsitz in Gremien sorgfältig geprüft werden muss.

Dieser Überprüfungsprozess ist umfangreich: Dokumente müssen gesammelt, ausgewertet und abgelegt werden. Um den Ablauf zu digitalisieren und effizienter zu gestalten, hat das KI-Team von ti&m mit der FMA einen Workshop durchgeführt und mögliche Einsatzbereiche von künstlicher Intelligenz aufgezeigt. Iterativ wurde aus dem definierten Use Case ein Proof-of-Concept entwickelt, mögliche weitere Anwendungsfelder für KI wurden ebenfalls skizziert.

Die Einführung von «Fit & Proper», vier Monate nach dem initialen Workshop, hat die Zusammenarbeit über alle Fachbereiche hinweg vereinheitlicht und vereinfacht: Durch den komplett digitalen und teilweise automatisierten Prozess sind die früheren, aufgrund von Medienbrüchen mühsamen Prozessschritte weggefallen, alle Ergebnisse werden neu automatisch gespeichert und alsPDF archiviert. Die Abarbeitung der .berprüfungen kann so geschätzt 30 – 50 Prozent schneller erledigt werden. Neben dem Zeitgewinn hat sich auch die Qualität der Resultate verbessert. Denn zum einen führt «Fit & Proper»die Websuche ohne Bias durch, der sich bei der  Browsernutzung durch die Mitarbeitenden ergeben konnte. Zum anderen verarbeitet das Tool automatisch Suchtreffer in beliebiger Sprache und zeigt dem Benutzer eine Übersetzung der Webseite in Deutsch und Englisch an.

Schritt für Schritt weitere KI-Projekte umsetzen

Die FMA ist von der Nützlichkeit von künstlicher Intelligenz überzeugt und die Entwicklung von sinnvollen, KIgestützten Lösungen ist Teil der IT-Strategie. Aber: Die Anwendung von KI ist für die Behörde keine Revolution, um alles von heute auf morgen anders zu machen. Und nicht für jedes Problem ist KI die richtige Lösung. Nach dem Motto «Try & Succeed» treibt die FMA ihre KI-Strategie voran und implementiert in kleinen Schritten und mit einem überschaubaren Budget neue Use Cases, die einen echten Mehrwert schaffen.

Einer dieser nächsten Schritte ist beispielsweise, die textbasierte Berichtsanalyse durch den Einsatz von Natural Language Processing (NLP) zu unterstützen und den Mitarbeitenden als «Smart Document Analysis»-Lösung zur Verfügung zu stellen. Die FMA verarbeitet täglich eine Vielzahl von Dokumenten wie Prüfungs- oder Geschäftsberichte, um spezifische Informationen herauszufiltern. In einem ersten Schritt wurde von ti&m mithilfe von Elasticsearch eine intelligente und optimierte Suchfunktion ausgerollt. In einem zweiten Schritt wird «Neural Search» integriert, die es erlaubt, konkrete Fragen wie z.B. «Welche Cybersecurity-Massnahmen plant die Bank XY für das Jahr 2023?» automatisch beantworten zu lassen. Elasticsearch fungiert dabei als Vorselektion, auf deren Ergebnissen die Neural Search mithilfe von Deeplearning und Language Models Fragen konkret beantwortet.

Weitere Themen sind die automatische Ausreisser- und Mustererkennung in den gemeldeten Daten, der Einsatz von intelligenten Chatbots im Meldeportal der FMA, um den Supportaufwand zu reduzieren oder die Keywordsuche in der Dokumentenablage zu optimierten, indem auf Basis des Dokumenteninhalts automatisch Schlagworte und Metadaten generiert werden. Schlussendlich muss bei allen KI-basierten Anwendungsfällen immer eine Effizienzsteigerung und/oder die Verbesserung der Qualität der Ergebnisse resultieren.

«Fit & Proper»

Mit «Fit & Proper» prüft die FMA mittels Bots und KI exponierte Personen auf eine kritische Berichterstattunganhand von öffentlichen Daten. Der Bot führt die Websitesuchedurch und lädt die Seiten mit den  Suchtreffern herunter, während die KI die gefundenen  Treffer auf kontroversen Inhalt überprüft und sicherstellt, dass es sich beim Treffer wirklich um die gesuchte Person handelt. Die Resultate werden anschliessend den Expertinnen und Experten in einem übersichtlichen User Interface vorgelegt, um die von der KI als kontrovers markierten Treffer zu verifizieren und durch das Feedback das System laufend zu verbessern. Bei der Umsetzung konnte nicht auf bestehende Sentiment-Analysis-Modelle zurückgegriffen werden, denn diese sind nur in der Lage, gefundene Inhalte negativ oder positiv zu bewerten. «Fit & Proper» dagegen soll nur kontroversen Inhalt markieren – die negative oder positive Bewertung führen die Mitarbeitenden selbst durch. Initial musste daher ein eigener Datenpool mit200 Personen aufgebaut werden: Jede Person wurde im Netz gesucht und alle Treffer manuell nach zweiKriterien bewertet: Ist es die richtige Person? Und ist der Inhalt als kontrovers zu werten? Durch die Bewertungen des Samples lernte das Programm die Bedingungen, nach welchen Wörter oder Wortkombinationen als kontrovers eingestuft werden und erstellte ein Bewertungsraster. Die Bedingungen, ob ein Inhalt kontrovers ist oder nicht wurden so durch das Sample «gelernt».Vom Proof-of-Concept bis zur ersten Lösung dauerte es vier  Monate, seither wird «Fit & Proper» laufend von ti&m weiterentwickelt und ausgebaut. Umgesetzt wurde die Lösung als Microservice-Applikation und läuft auf der internen Kubernetes-Infrastruktur der FMA.

Dieser Artikel erschien im ti&m special «Digital Banking»

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Fabian Braunwalder

Head Products & Banking Innovations

Fabian Braunwalder

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