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Das Referendumsergebnis zum E-ID-Gesetz war eindeutig: 64 Prozent der Stimmenden legten im März 2021 ein Nein in die Urne. Auch in der Nachbefragung ergab sich ein klares Bild: Die Mehrheit der Stimmbevölkerung will eine E-ID. Allerdings eine E-ID, die vom Staat herausgegeben wird – und nicht eine aus privater Hand. Diesem Wunsch gaben gleichlautende parlamentarische Vorstösse aller Parteien wenige Tage nach der Abstimmung Nachdruck. Was im Grundsatz schnell gesagt ist, bedarf allerdings der rechtlichen, technischen und organisatorischen Klärung. Das Bundesamt für Justiz (BJ) – in diesem Geschäft federführend – entschied sich, auch bezüglich des Prozesses hin zur staatlichen E-ID neue Wege zu gehen.

Öffentliche Diskussion vor der Vernehmlassung

Klassischerweise werden Gesetzesentwürfe «im stillen Kämmerlein» und mit nur wenigen externen Expertinnen und Experten erarbeitet und erst im Rahmen der Vernehmlassung der breiten Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt. Dieser Vernehmlassungsprozess hat sich vielfach bewährt; hingegen sind grundsätzliche Richtungswechsel in dieser Phase nicht mehr möglich beziehungsweise nur zum Preis von erheblichen Verzögerungen. Vor diesem Hintergrund hat das BJ im August 2021 ein Diskussionspapier vorgelegt und die Öffentlichkeit eingeladen, sich zu drei E-ID-Lösungsansätzen zu äussern. Über 60 Stellungnahmen von Kantonen, Parteien, Verbänden und Firmen gingen ein und sprachen sich mehrheitlich für das Modell einer staatlichen E-ID aus, eingebettet in einem Ökosystem unterschiedlichster digitaler Nachweise. Diese informelle Konsultation wurde im Oktober 2021 mit einer konferenziellen Diskussion abgeschlossen und diente dem Bundesrat als Grundlage für seinen Richtungsentscheid vom 17. Dezember 2021.

So soll die staatliche E-ID den Nutzerinnen und Nutzern die grösstmögliche Kontrolle über ihre Daten ermöglichen (Self-Sovereign Identity). Der Datenschutz soll unter anderem durch das System selber (Privacy by Design), aber auch durch die Minimierung der nötigen Datenflüsse (Prinzip der Datensparsamkeit) sowie eine dezentrale Datenspeicherung gewährleistet werden. Die E-ID soll auf einer staatlich betriebenen Infrastruktur beruhen, welche gleichzeitig staatlichen und privaten Akteuren für die Ausstellung unterschiedlicher digitaler Nachweise zur Verfügung stehen wird (E-ID-Ökosystem). Mit diesen technischen Mitteln sollen nicht nur die E-ID, sondern auch digitale Nachweise wie Wohnsitzbestätigungen, Ausbildungsdiplome oder personalisierte Zutrittskarten ermöglicht werden.

Pilotprojekte als Lehrplätze

Mit der staatlichen E-ID wagt sich der Bund an eine neue Materie. Weltweit – insbesondere in der EU – laufen dazu vielversprechende Projekte. Damit auch in der Schweiz Erfahrungen gesammelt werden können, sind bereits Pilotprojekte in Gang: So werden mit dem Personalausweis der Bundesverwaltung und dem Lernfahrausweis in einer Testumgebung für selbstbestimmte Identitäten technische, orga­nisatorische und regulatorische Fragen praktisch durchgespielt. Auch Kantone erproben die neue Technologie anhand von Pilotprojekten. Die Erfahrungen aus den Pilotprojekten fliessen laufend in die Ausgestaltung der gesetzlichen Grundlage ein.

Breite Diskussion erwünscht

Interessierte Personen können sich seit Februar 2022 in monatlichen Videokonferenzen über den Stand der Entwicklungen rund um die staatliche E-ID informieren. Das Projektteam E-ID des BJ moderiert die Diskussion, die von Wortmeldungen aller Interessierten aus Kantonen, Gemeinden, Verbänden, Firmen und anderer Bundesämter lebt. An den ersten drei Videokonferenzen nahmen je rund 100 Personen teil. Als Kanal für ausführlichere, schriftliche Diskussionen ist das BJ zudem mit der E-ID auf der Kollaborations-Plattform GitHub präsent. Zurzeit drehen sich die Debatten dort vor allem um Fragen der Organisation des E-ID-Ökosystems sowie um unterschiedliche technische Aspekte.

Bund, Kantone und Gemeinden 
arbeiten zusammen

Kantone und Gemeinden spielen im Staatswesen der Schweiz tragende Rollen. Dies trifft auch im Zusammenhang mit der E-ID zu. Einerseits liefern sie Daten, andererseits bieten sie Dienstleistungen an, bei welchen die künftige staatliche E-ID zum Einsatz kommen wird. Aus diesen Gründen ist im Projektteam E-ID des BJ auch die Leitung einer Arbeitsgruppe vertreten, welche von der Digitalen Verwaltung Schweiz (DVS) etabliert wurde, und in der Kantone sowie Gemeinden ihre spezifischen Fragen frühzeitig miteinander klären können.

Via Partizipation zum Ökosystem

Diese neuen Mitwirkungsmechanismen ersetzen den traditionellen Gesetzgebungsprozess keineswegs, sondern sie ergänzen ihn. Während dem Verfassen des vorliegenden Textes läuft parallel zu den partizi­pativen Aktivitäten die Ämterkonsultation. Hierbei handelt es sich um eine Konsultationsrunde innerhalb der Bundesverwaltung, bevor der Bundesrat voraussichtlich im Sommer 2022 die Vernehmlassung des neuen Gesetzes für eine staatliche E-ID verabschieden wird. Die Botschaft soll im Herbst 2023 vorliegen. Selbstverständlich wird auch das neue E-ID-Gesetz dem fakultativen Referendum unterstehen.

Bei aller Wichtigkeit der gesetzlichen Grundlage darf das Endziel nicht in Vergessenheit geraten: ein lebendiges Ökosystem digitaler Nachweise. Grundgedanke selbstbestimmter Identitäten ist, dass eine Vielzahl von Institutionen – ja gar einzelne Personen – digitale Nachweise herausgeben und diese in mannigfaltigen Geschäftsprozessen eingesetzt werden können. Die E-ID als digitaler, vom Bund herausgegebener Nachweis spielt herbei die zentrale Rolle, kann aber das Potenzial selbstbestimmter Identitäten alleine nicht ausschöpfen. Daher zielen die neuen Mitwirkungsmechanismen langfristig vor allem auch auf den Aufbau eines lebendigen Ökosystems und stehen für eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen Bevölkerung, Wirtschaft und Staat.

ti&m Special Future of Work

Neue Wertschöpfungsketten, die Digitalisierung oder kulturelle Veränderungen: Verschiedene Faktoren ändern die Art, wie wir arbeiten, grundlegend. Im neuen Special gehen wir der Frage nach, was diese tiefgreifende Transformation für Firmen, für die Führung und für die Mitarbeitenden bedeutet. 

Marius Matter

CTO, Head Agile Projects Zürich

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