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ti&m: Seit wann ist das Thema künstliche Intelligenz auf der Agenda der Volkswirtschaftsdirektorin des Kantons Zürich? 
Carmen Walker Späh: Die Standortförderung in meinem Amt für Wirtschaft und Arbeit beobachtet das weltweite Geschehen seit Jahren. Insbesondere für die im Kanton Zürich stark vertretenen Life Sciences stellen AI-Technologien eine grosse Chance dar. Selbst aktiv geworden sind​ wir vor rund einem Jahr. Da kam im Austausch mit der Stiftung Mindfire erstmals die Idee auf, namhafte VertreterInnen aus Wissenschaft und Wirtschaft an einen Tisch zu bringen und die Position von Zürich und der ganzen Schweiz als Forschungs- und Wirtschaftsstandort im Bereich künstliche Intelligenz zu diskutieren. Der Regierungsrat hat letzten November zudem einen Standortdialog mit einer Podiumsdiskussion zum Thema AI organisiert. 

Mit dieser Initiative wollen Sie zusammen mit der Stiftung Mindfire den Grossraum Zürich zu einem AI Hub machen. Warum eignet sich Zürich besonders dafür?
Die Teilnehmenden des «KI-Roundtables» aus unterschiedlichen Fachgebieten teilen die Vision, dass die Schweiz und insbesondere Zürich eine Führungsrolle in der Entwicklung und Förderung von künstlicher Intelligenz übernehmen soll. Auch ich bin überzeugt: Zürich hat optimale Voraussetzungen, um im Bereich der künstlichen Intelligenz eine Vorreiterrolle einnehmen zu können. Wir haben ein einzigartiges Ökosystem mit führenden Hochschulen, einer innovativen Start-up- und ICT-Szene sowie internationalen Unternehmen wie Disney Research, Google oder Yahoo. Die Region Zürich bietet quasi den idealen Nährboden für die Entwicklung von neuen AI-Technologien.

Die Schweiz ist bei der Forschung stark, aber wie soll es gelingen, dies auch in wettbewerbsfähige Produkte umzusetzen? 
Was Publikationen im Bereich Neurowissenschaften und künstliche Intelligenz betrifft, ist die Schweiz schon heute führend. Doch die bei uns erarbeitete Grundlagenforschung wird schlussendlich viel zu oft von amerikanischen und chinesischen Konzernen in marktfähige Produkte «übersetzt». Das ist schade, weil damit ein grosses Wertschöpfungspotenzial für die Schweiz und den Kanton Zürich verlorengeht. Um das zu ändern, braucht es einen Schulterschluss zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik und den Willen aller Akteurinnen und Akteure, eine führende Rolle einzunehmen. 

«Zürich hat optimale Voraussetzungen, um im 
Bereich der künstlichen 
Intelligenz eine Vorreiterrolle einnehmen zu können.»

Wie soll die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik gestaltet werden?
Wenn Zürich im Bereich künstliche Intelligenz eine Spitzenposition einnehmen will, müssen sich die klügsten Köpfe, die geschicktesten Unternehmerinnen und Unternehmer und die einflussreichsten Meinungsmacherinnen und Meinungsmacher im politischen Prozess zusammentun und Synergien schaffen. Wenn alle ihr Wissen, ihren Erfahrungsschatz und ihr Know-how bündeln, können komplett neue Ansätze entstehen. Durch einen intensiven Austausch zwischen den relevanten Akteurinnen und Akteuren kann der Weg von der Idee zu ihrer produktiven Nutzung deutlich verkürzt werden.

Welche Rolle nimmt die Volkswirtschaftsdirektion im Projekt ein?
Als Regierungspräsidentin und Volkswirtschaftsdirektorin unterstütze ich die Initiative, in Zürich einen Hub für künstliche Intelligenz aufzubauen. Meine Direktion und ich haben durch die Vernetzung der relevanten Akteurinnen und Akteure einen wesentlichen Beitrag zum Zustandekommen der Initiative geleistet und werden auch in Zukunft gerne unser Netzwerk und Know-how zur Verfügung 
stellen. Letztendlich handelt es sich aber um eine private Initiative, die von der Mindfire-Stiftung koordiniert wird.

Welche Aufgaben müssten Ihrer Ansicht nach von der politischen Seite, sowohl vom Kanton als auch vom Bund, prioritär angegangen werden? 
Ganz grundsätzlich ist es die Aufgabe der Politik, für zeitgemässe politische und rechtliche Rahmenbedingungen zu sorgen, die ein innovationsfreundliches Klima ermöglichen. Aber auch unser liberales Arbeitsrecht ist ein enormer Standortvorteil, den es zu 
verteidigen gilt. Auf Bundesebene wurde im Staatssekretariat für 
Bildung, Forschung und Innovation 2018 eine neue Arbeitsgruppe für künstliche Intelligenz ins Leben gerufen. Diese soll Überlegungen zu einem verantwortungsvollen Einsatz mit AI-Technologien darlegen und dafür sorgen, dass internationale Gremien die An­liegen der Schweiz wahrnehmen.

Wie kann sich der Standort Schweiz im Vergleich zu Riesen wie den USA oder auch China bei der AI-Technologie behaupten?
Gerade in der Kleinräumigkeit der Schweiz liegt ihre Stärke. Wir haben ein einmaliges und breit gefächertes Innovationsökosystem auf kleinstem Raum. Die Wege sind hier im Vergleich zu anderen 
Standorten sehr kurz. Darüber hinaus liegt die Schweiz strategisch günstig im Herzen Europas, verfügt über ein erstklassiges Mobilitätsnetz und über optimale internationale Flugverbindungen in alle Himmelsrichtungen. Zürich eignet sich deshalb sehr gut zur Einrichtung eines national und international vernetzten Hubs. Das alles in Kombination mit einer hohen Lebensqualität macht uns attraktiv – für renommierte Forscherinnen und Forscher, aber auch als Standort für innovative Unternehmen. 

Der gesellschaftliche Diskurs um AI ist aktuell eher kritisch. 
Wie planen Sie, diesen in eine positivere Richtung zu lenken? 

Das öffentliche Bild der AI ist bis heute von unheimlichen Science-Fiction-Filmen geprägt. Woran Wissenschaft und Industrie aber konkret arbeiten, ist vielen nicht bewusst. Gerade im medizinischen Bereich können AI-Technologien zum Wohle der Menschen eingesetzt werden. Aber auch im Mobilitätsbereich sehe ich viel Potenzial: Elektrobetriebene, selbstfahrende Systeme könnten in Zukunft zu einer effizienteren, sichereren und umweltfreundlicheren Abwicklung der steigenden Nachfrage beitragen. Wir müssen einen offenen und transparenten Diskurs darüber führen, wie wir mit künstlicher Intelligenz umgehen. Dabei dürfen wir nicht nur über die Chancen und Potenziale reden, sondern müssen uns auch den heiklen Themen wie Datenschutz und Ethik annehmen. Unsere Bildungs- und Forschungsinstitutionen haben hier sicher noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Aber auch Politik und Gesellschaft sind gefragt. Zentral ist aus meiner Sicht, dass nicht die Technologie im Mittelpunkt steht, sondern der Mensch.